Als Kind musste ich immer in den Zoo. Tiere angucken. Aber Tiere angucken im Zoo, das ist stinklangweilig und doof. Wenn du ein paar Mal da warst, dann kennst du da schon alles. Elefanten haben einen Rüssel und können damit trompeten. Giraffen haben einen langen Hals und können damit von ganz oben runtergucken. Zebras haben Streifen und können damit nichts.

Und wenn Erwachsene dann solche Sätze sagen wie: "Schau mal, da oben, die Giraffe frisst Blätter." Dann stehst du als Knirps da und denkst: Na und? Welche Nahrungsalternativen hätte sie den gehabt, die Giraffe. Insekten mag sie nicht. Um sich Vögel zu fangen scheint sie ein bisschen zu ungeschickt. Und in fünf Meter Höhe, da wächst auch kein Gras. Klar frisst die Blätter.
Eine Blätter kauende Giraffe ist nichts Besonderes. Das ist nicht einmal lustig.
Mit Oma und Opa zu Mc Donalds fahren und zugucken, wie Oma und Opa einen Big Mac essen. Das wäre lustig gewesen. Aber auf so etwas kommen Erwachsene ja nicht.

Inzwischen bin ich selbst erwachsen und muss nicht mehr in den Zoo. Wenn ich was erleben will. Wenn ich staunen will. Wenn ich es lustig haben will. Dann gehe ich nicht in den Zoo - dann geh ich Menschen gucken. Dann stehe morgens auf und gehe zur Arbeit.

Im Gegensatz zu eingesperrten Tieren sind frei laufende Menschen geradezu agil und verhaltensorginell. Manche hüpfen und flitzen sogar wild in der Gegend herum.

Beim Menschengucken ist man ganz nah dran. Besonders in der Straßenbahn.
Ich teile mir die Menschen in der Straßenbahn immer in zwei Gruppen ein. In Appetitliche – und Unappetitliche.
Dann suche ich mir einen Platz neben so einem Menschen, den ich eher lecker finde.
Aber nicht alle wollen einen Sitzplatz haben. Menschen die nachts zu wenig Liebe bekommen haben, die sammeln sich morgens in der Straßenbahn an den Türen, drängen sich da ganz eng zusammen und kuscheln noch ein wenig miteinander im Stehen.

Der Mensch ist übrigens das einzige intelligente Lebewesen, das sich mit über hundert anderen seiner Art in einem geschlossenen Raum aufhält, dabei in der Nase popelt und glaubt, dass das niemand bemerkt.
Wenn ich das sehe, wie jemand zwei Reihen vor mir in der Nase puhlt. Erfolgreich. Mit einem prächtigen Resultat am Finger. Und ich bemerke, dass der Popler den Popel nicht zwischen den Fingern reibt, um ihm die Feuchtigkeit zu entziehen und ihn dann einfach wegzuschnippen, sondern etwas wirklich ekelhaftes damit vor hat, dann stehe ich auf und sag was.
Ich sage: Hey du. Ich meine dich mit dem Popel am Finger. Kleb den jetzt bloß nicht ans Polster. Mach ihn in ein Taschentuch. Und wenn du keines hast, dann tu ihn halt dahin zurück, wo du ihn hergeholt hast.

Man kann Menschen nicht nur beobachten, man kann sie auch riechen. Nach was ein Mensch so riechen kann, das riechst du in der Straßenbahn.

Wenn ich meinen eigenen Zoo hätte, dann gäbe es da keine Tiere, sondern nur Menschen. Ich hätte einen richtig tollen Menschenzoo. Mit Menschen, bei denen man ins Staunen kommt. Und artgerecht halten würde ich sie.
Im Gehege mit den BWL-Studenten gäbe es ganz viele kleine Erfolgsleitern. Im Nobelkäfig für die GUCCI Weibchen gäbe es eine Botoxstation und ein Nagelstudio. Für 'Akademiker und Singles mit Niveau' gäbe es ein Elite-Partner-Gehege und für Politiker ein Planetarium. Die leben ohnehin in ihrer eigenen Nachbargalaxie.
Wenn ich bedenke was nachmittags im Fernsehen läuft, dann verstößt so ein Menschenzoo wahrscheinlich nicht einmal gegen die guten Sitten oder das Artenschutzabkommen.

Menschen sind wunderbar. Noch nie hat es ein Tier geschafft mich so sehr zu inspirieren und zu unterhalten, wie Menschen das tun. Egal ob sie in der Nase popeln, einfach nur stinken, weil sie in der Straßenbahn heimlich pupsen, oder lachen, wenn ich ihnen beim Poetry Slam etwas über sie selbst erzähle.

 

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